Donnerstag, 26. April 2012

Ein letzter April-Eintrag

Hallo meine Lieben!

Ich sitze gerade im Büro bei uns im Heim - und langweile mich. Heute habe ich wieder die Frühschicht, das heißt, ich bin schon seit 6:30 Uhr hier. Zuerst habe ich mit den Kindern auf ihre Schulbusse gewartet - was eine Stunde Stehen in der eisigen Morgenkälte vor unsererm Heim bedeutet. Danach habe ich gemütlich gefrühstückt und danach mit meiner Gastmutter noch ungefähr eine Stunde literweise Mate getrunken, und nun beschäftige ich mich mehr oder weniger halbherzig mit Nacho, einem Dreijährigen, der heute krank ist und nicht zur Schule kann.
Die letzen Wochen sind sehr ruhig - aber trotzdem unheimlich schnell! - vorbeigegangen.
Ich bin zur Zeit etwas krank, deshalb bin ich kaum weggegangen, bis auf zwei Ausflüge: Und zwar haben wir bei unserer Arbeit hier im Heim einen katholischen Priester kennen gelernt, Padre Oscar, der in Ralco arbeitet. Ralco ist ein kleines Dorf noch weiter oben in den Bergen, so ziemlich das letzte "zivilisierte" Dorf vor der Cordillera. Danach kommen nur noch kleine Indígena-Siedlungen.
Jedenfalls haben wir, das heißt Maria und ich, letzte Woche den Padre bei einem Ausflug in ebendiese Siedlungen begleitet - ein einmaliges Erlebnis. Zwar waren wir mit den Funktionären des Heims ja schon öfter dort oben, diesmal war der Kontakt mit den Familien jedoch viel direkter, da der Padre von Haus zu Haus reist, fast alle Personen persönlich kennt und sehr angesehen ist.
So haben wir unglaublich viel von der Kultur der Pehuenche (so heißt die Gruppe der Mapuche-Indígenas, die hier in den Bergen lebt) miterlebt - und ein bisschen mehr von der Sprache Mapudungun bzw. Chedungun gelernt.
Das tolle war, dass wir mit dem Padre auch verschiedene Schulen oben in den Bergen besucht haben - und das war wirklich beeindruckend. Dort gibt es nämlich Kinder, die eingeschult werden, ohne ein Wort Spanisch zu sprechen. Sie müssen dann alles in der Schule lernen - demzufolge sprechen auch die meisten Lehrer, ob Indígena oder nicht, zumindest ein bisschen Chedungun.

Oder zum Beispiel waren wir auch in der Hütte von Norfa, einer "Machi", also einer Heilerin. Vor der Hütte hängen auf Gestellen schon unzählige getrockneten Kräuter, ebenso innen. Norfa ist die letzte in ihrer Familie, die diesen Beruf erlernen wird, obwohl er seit Generationen weitergegeben wurde. Aber die jungen Leute hätten keine Lust mehr, sich mit den alten Lehren zu beschäftigen, sagt sie. Sie seien faul geworden, verwöhnt von der modernen Medizin, die gegen alles eine Tablette hätte.
Dann hat sie uns noch von einigen "Patienten" erzählt: Zum Beispiel ein junges Ehepaar, das umbedingt Kinder, am besten einen Jungen, bekommen möchte. Doch obwohl sie schon lange verheiratet sind, hat es bisher noch nicht geklappt.
Also begann Norfa Kräuterextrakte zu mischen, und den beiden (sowohl Mann als auch Frau) zu verabreichen. Zusätzlich betete sie oft und lange für die beiden, machte verschiedene Zeremonien etc. Und nun, vor einigen Tagen, kam die Frau zu ihr und erzählte, dass die geträumt hätte, ein Mädchen zu kriegen. Norfa erklärte daraufhin, dass es ein Junge werden würde - immer wenn man träumt, einen Jungen zu kriegen, bekommt man ein Mädchen und andersherum.

Der Besuch war so der krasseste, denn das sind so Geschichten, von denen man normalerweise in irgendwelchen Romanen liest, aber die man ja nicht in Realität erlebt...

Der zweite Ausflug war auch klasse, allerdings wurde uns in jedem Haus, in dem wir waren Essen gereicht, und zwar immer neben der obligatorischen Tortilla, einer Art Brot, das in heißer Asche gebacken wird, auch noch Asado, also gegrilltes Schwein oder gegrillte Ziege - und es ist sehr unhöflich, abzulehnen, also haben wir den ganzen Tag gegessen :D



Also ich hoffe, euch geht es auch allen gut, ich freue mich immer über jegliche Nachricht aus Deutschland (!!!Schreibt mir!!! :D),

eure Julia

Dienstag, 10. April 2012

Rauch in den Straßen

Hallo ihr alle!

So, nun bin ich tatsächlich schon mehr als sechs Monate hier. Manchmal kann ich es gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht!

Vor einigen Wochen hatten wir (wir, das heisst alle 16 Freiwillige aus Argentinien, Uruguay und Chile) unser einwöchiges Zwischenseminar in Olmué, einem Dorf in der Nähe von Santiago.
Das Zwischenseminar war ganz anders als unser (geniales! ;)) Vorbereitungsseminar. Zwar war es total schön, die ganzen anderen Freiwilligen wiederzusehen, bzw. kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen und wir hatten auch wirklich viel Spaß, das Seminarprogramm an sich war aber ziemlich unergiebig (/langweilig ;)) und hat nicht viel Neues gebracht.
Die Umgebung allerdings war wirklich schön: Olmué liegt in Zentralchile, zwischen vielen Weinbergen, und wir waren in einer Art "Ferienanlage" mit verschiedenen kleinen Häuschen und mit verschiedenen Pools. Es gab zweimal am Tag ein 3-4 Gänge-Menu zu essen - und zwar richtig, richtig lecker - und zudem hatten wir auch noch total viel Glück mit dem Wetter, es schien fast jeden Tag die Sonne und war total warm... Eine doch sehr angenehme Abwechslung nach drei Wochen patagonischer Kälte!

Nun ist das Seminar aber auch schon wieder vorbei, und der Arbeitsalltag hat sich eingestellt.
Die Arbeit macht mir wieder deutlich mehr Spaß, als im Sommer, die ganzen Kinder sind endlich wieder da - und ich liebe sie so!

Hier hat außerdem nach einem letzten Aufblühen des Sommers nun vollens der Herbst eingesetzt. Der Wechsel hat mich doch einigermaßen geschockt, denn die erste Zeit nach dem Seminar war es noch einmal richtig schön warm, so dass ich meine Sommerkleider noch fast zwei Wochen benutzen konnte - untypisch für diese Jahreszeit, wie mir alle über die Hitze jammernden Chilenen versicherten!
Jetzt ist es tagsüber hingegen schon richtig herbstlich: Überall liegen Kastanien, die Blätter fallen langsam, - aber immerhin scheint auch die Herbstsonne und bisher windet und regnet es noch nicht. Aber nachts und morgens ist es nun richtig kalt, ich stocke die Deckenansammlung in meinem Bett wöchentlich auf und es fällt mir immer schwerer, morgens aufzustehen... Der gemütlichste Ort bei uns im Haus ist demnach die Sitzecke um den Ofen herum, und hier im Heim als einziger beheizter Raum die Küche.
An beiden Orten sitze ich also entweder frühmorgens oder spätabends mit Yorfa, meiner Gastmutter zusammen, wir trinken Tee oder (viel besser) Mate, reden über Gott und die Welt, lästern, lachen... Ich liebe sie einfach! Sie ist wirklich meine Mama hier, sehr resolut und bestimmt ("Bevor du weggehst, räumst du aber schon noch dein Zimmer auf, oder?"), aber immer auch total besorgt und liebevoll - und unglaublich lustig :D

Jetzt, am Wochenende, war ja Ostern. Abgesehen davon, dass Montag hier schon wieder Arbeitstag ist, war auch ansonsten alles sehr anders... Schonmal angefangen damit, dass wir vier Tage ununterbrochen (d.h. zu jeder Mahlzeit, einschließlich des Frühstücks!) Fisch oder (bzw. UND) Meeresfrüchte gegessen haben. Außerdem war ich auch viel feiern, weil alle Studenten natürlich über die Feiertage nach Hause gekommen sind.

Zusätzlich haben wir am Sonntag noch einen Ausflug mit der Familie gemacht, natürlich mit Picknick.


Ansonsten fällt mir gerade nicht arg viel mehr zum erzählen ein...
Ich denke viel an euch alle, und vor allem wenn ich frühmorgens (d.h. um halb 6!) in feuchter Kälte durch die nebligen Straßen zum Heim laufe und den Rauchgeruch der Kamine einatme, wünsche ich mir oft, nun den deutschen Frühling mitzuerleben...
Was nicht heißen soll, dass ich hier nicht superglücklich und zufrieden wäre - nur auf den Winter könnte ich verzichten ;)

Ganz, ganz liebe Grüße an alle,
vielleicht bis bald,

Eure Julia