Mittwoch, 11. Juli 2012

2 Monate, 6 Tage


Hallo meine Lieben!

Nun habe ich mich endlich dazu aufgerafft, mich mal wieder um meinen armen, vernachlässigten Blog zu kümmern. Ich glaube, es war eine ziemlich blöde Idee, diesen überhaupt einzurichten, wo ich eh so selten irgendwas schreibe! Und dann habe ich genau deswegen auch noch ein schlechtes Gewissen ;)

Abgesehen von diesem schlechten Gewissen geht es mir prima – ich wünschte nur, ich würde eine Möglichkeit kennen, die Zeit aufzuhalten. Heute ist der 28. Juni – unfassbar! Es fehlen nur noch drei Tage bis zum Juli (ein Monat, der immer soo weit weg schien…)! Juli ist schon fast August und August ist schon fast September… Und September bedeutet, dass ich dieses Land, dass ich inzwischen so sehr lieben gelernt habe, verlassen muss!
Dieses Gefühl bzw. dieses Thema ist zur Zeit bei uns Freiwilligen fast ständiger Gesprächsstoff. Irgendwie können wir uns alle nicht vorstellen, wie es sein wird, wieder „daheim“ zu sein, wo wir doch diesen Begriff inzwischen total auf Santa Bárbara, bzw. Los Angeles beziehen…

Aber wir versuchen, die letzte Zeit noch mal so richtig zu genießen.
So bin ich zum Beispiel gerade für zwei Wochen in den Bergen in einem Internat, sozusagen eine Art „Praktikum“. Das wollte ich schon total lange machen, aber irgendwie hat es nie geklappt und wurde immer ver- beziehungsweise aufgeschoben… Aber jetzt bin ich hier, und es gefällt mir unglaublich gut.
Das Internat liegt in Cauñicu, einer indigenen Gemeinde in den Anden, ungefähr 3-4 Stunden (je nach Fahrweise) von Santa Bárbara entfernt.
Auf die Idee bin ich gekommen, weil ich schon mehrmals mit Padre Oscar, einem Pfarrer, den ich im Heim kennen gelernt habe, zu Besuch da war. Dieser Padre ist nämlich für die Region Alto Bio Bio zuständig, das heißt, er fährt mehrmals in der Woche in die Cordillera um dort die indigenen Familien zu besuchen, mit ihnen Probleme zu besprechen, Kinder zu taufen, Gottesdienste zu machen etc. Ich mag es total, ihn zu begleiten weil er wirklich alle hier kennt und alle ihn mögen und total offen über all ihre Probleme erzählen (was für mich natürlich superinteressant ist) – und außerdem ist er total cool drauf.

Hier im Internat gibt es ungefähr 70 Schüler, 10-15 davon sind allerdings Externe. Diese Kinder wohnen in der Nähe und laufen nach dem Nachmittagslunch nach Hause.
Kurz ein Wort zu den Relationen: ein chilenisches „nah“ ist schon nicht unbedingt das gleiche, wie ein deutsches „nah“ – ein „nah“ hier in der Cordillera ist noch einmal was komplett anderes: Die Kinder müssen oftmals mehr als eine Stunde den Berg hinaufkraxeln, um zu ihren Häusern zu gelangen.
Der Rest, die „Internen“ wohnen dann noch viel weiter weg. Jeden Freitag fährt sie ein Bus zu ihren Häusern (bzw. zu dem nahstmöglichen mit dem Auto erreichbaren Platz), der sie dann Sonntagabend wieder abholt.
Unter der Woche besuchen eben alle zusammen hier die Schule. Der Unterricht fängt um 8.30 Uhr morgens nach dem Frühstück an und hört um 19 Uhr nach der Hausaufgabenstunde auf.
Dazwischen gibt es allerdings reichlich Pausen: Um 12 Uhr wird Mittag gegessen (Eintopf, Reis, Kartoffelbrei oder Nudeln, immer mit Nachtisch, Brot und Salat), um 16 Uhr gibt es einen Snack (Kaffee und ein belegtes Brot), um 19 Uhr wird Abend gegessen (ebenfalls Eintopf, Reis, Kartoffelbrei oder Nudeln – einschließlich Brot, Salat und Nachtisch).
Das schildere ich hier so genau, weil das so ziemlich das Wichtigste hier in den Bergen ist: Essen.
Ratet mal, auf wie viel Kalorien das tägliche Essen der Kinder (7-16 Jahre) ausgelegt ist? Auf 2500!!!
Und die Mitarbeiter und Lehrer begnügen sich natürlich nicht mit dem, was die Kinder essen, sondern essen in den Pausen noch Kuchen, Brot, gegrilltes Fleisch, Tortillas und trinken den ganzen Tag gezuckerte Getränke…
Deshalb sind hier auch alle ziemlich dick, und ich bin ziemlich froh, dass ich hier nicht immer wohne :D


Insgesamt gefällt es mir aber total gut hier. Es ist völlig anders, als das Leben in Santa Bárbara, Los Angeles oder in Deutschland, sondern genauso, wie man sich das in kleinen Indianer-Bergdörfern eben vorstellt. Alles ist viel ruhiger, und jedesmal, wenn man hochschaut, sieht man die verschneiten Gipfel, die total nah erscheinen… Dazu kommt nur noch das Rauschen des Flusses.
Ich für meinen Teil habe mich schon längst in die Landschaft verliebt.
Woran ich mich aber nur schwer gewöhnen kann, ist die Kälte – und es ist wirklich eiskalt. Alle erwarten noch die nächste Woche Schnee – und alle fürchten sich davor. Es ist nämlich nichts außergewöhnliches, dass dann der Strom ausfällt und der Weg unpassierbar wird – so dass man völlig abgeschnitten von der Außenwelt ist, denn Telefon, Handynetz oder gar Internet gibt es natürlich nicht. Viele Häuser haben schließlich noch nicht mal Strom oder fließend Wasser!






Witzig, dass genau das meine letzten Worte waren.
Heute ist der 11. Juli (JULI! Aaaah!!!) und ich konnte meinen Blogeintag in den Bergen nicht einmal zu Ende schreiben, denn der oben geschilderte Fall ist prompt eingetroffen: Wir sind eingeschneit.
Der Strom ist aufgefallen, die Wasserleitungen sind eingefroren und ich durfte die interessante Erfahrung machen, eine Woche mit ca. 50 Kindern ohne Strom und ohne Wasser zusammenzuleben.
Ohne Strom geht’s ja noch, aber ohne Wasser… Stellt euch mal die Klos vor… Brrr.
Ich hab mich irgendwann so schmutzig gefühlt, dass ich mir Schnee geschmolzen habe und mich dann mit einem Socken in meinem Zimmer gewaschen haben – bei Kerzenlicht und in eisiger Kälte, während der ganzen Aktion konnte ich meinen Atem sehen… Nun bin ich um eine Erfahrung reicher :D:D

Nun ja, jetzt bin ich wieder in Santa Bárbara, wo es zwar immer noch kalt ist, aber wenigstens gibt es Wasser und Strom!
Aber auch hier bleibe ich nicht mehr lange, morgen abend werde ich nach Santiago fahren, von wo aus ich in den Norden Chiles (nach Iquique) fliege. Dort werde ich ersteinmal die Wüstensonne genießen!

So viel dazu, ich hoffe euch geht es auch allen gut und ihr müsst nicht erst in den Norden reisen, um Sonne zu haben! Ich denke an euch, auch wenn ich nichts schreibe :D

In etwas mehr als zwei Monaten sehen wir uns schon wieder,
bis dahin,

Eure Julia