Hallo meine Lieben!
Nun habe ich mich endlich dazu aufgerafft, mich mal wieder
um meinen armen, vernachlässigten Blog zu kümmern. Ich glaube, es war eine
ziemlich blöde Idee, diesen überhaupt einzurichten, wo ich eh so selten
irgendwas schreibe! Und dann habe ich genau deswegen auch noch ein schlechtes
Gewissen ;)
Abgesehen von diesem schlechten Gewissen geht es mir prima –
ich wünschte nur, ich würde eine Möglichkeit kennen, die Zeit aufzuhalten.
Heute ist der 28. Juni – unfassbar! Es fehlen nur noch drei Tage bis zum Juli
(ein Monat, der immer soo weit weg schien…)! Juli ist schon fast August und
August ist schon fast September… Und September bedeutet, dass ich dieses Land,
dass ich inzwischen so sehr lieben gelernt habe, verlassen muss!
Dieses Gefühl bzw. dieses Thema ist zur Zeit bei uns
Freiwilligen fast ständiger Gesprächsstoff. Irgendwie können wir uns alle nicht
vorstellen, wie es sein wird, wieder „daheim“ zu sein, wo wir doch diesen
Begriff inzwischen total auf Santa Bárbara, bzw. Los Angeles beziehen…
Aber wir versuchen, die letzte Zeit noch mal so richtig zu genießen.
So bin ich zum Beispiel gerade für zwei Wochen in den Bergen
in einem Internat, sozusagen eine Art „Praktikum“. Das wollte ich schon total
lange machen, aber irgendwie hat es nie geklappt und wurde immer ver-
beziehungsweise aufgeschoben… Aber jetzt bin ich hier, und es gefällt mir
unglaublich gut.
Das Internat liegt in Cauñicu, einer indigenen Gemeinde in
den Anden, ungefähr 3-4 Stunden (je nach Fahrweise) von Santa Bárbara entfernt.
Auf die Idee bin ich gekommen, weil ich schon mehrmals mit
Padre Oscar, einem Pfarrer, den ich im Heim kennen gelernt habe, zu Besuch da
war. Dieser Padre ist nämlich für die Region Alto Bio Bio zuständig, das heißt,
er fährt mehrmals in der Woche in die Cordillera um dort die indigenen Familien
zu besuchen, mit ihnen Probleme zu besprechen, Kinder zu taufen, Gottesdienste
zu machen etc. Ich mag es total, ihn zu begleiten weil er wirklich alle hier
kennt und alle ihn mögen und total offen über all ihre Probleme erzählen (was
für mich natürlich superinteressant ist) – und außerdem ist er total cool
drauf.
Hier im Internat gibt es ungefähr 70 Schüler, 10-15 davon
sind allerdings Externe. Diese Kinder wohnen in der Nähe und laufen nach dem
Nachmittagslunch nach Hause.
Kurz ein Wort zu den Relationen: ein chilenisches „nah“ ist
schon nicht unbedingt das gleiche, wie ein deutsches „nah“ – ein „nah“ hier in
der Cordillera ist noch einmal was komplett anderes: Die Kinder müssen oftmals
mehr als eine Stunde den Berg hinaufkraxeln, um zu ihren Häusern zu gelangen.
Der Rest, die „Internen“ wohnen dann noch viel weiter weg.
Jeden Freitag fährt sie ein Bus zu ihren Häusern (bzw. zu dem nahstmöglichen
mit dem Auto erreichbaren Platz), der sie dann Sonntagabend wieder abholt.
Unter der Woche besuchen eben alle zusammen hier die Schule.
Der Unterricht fängt um 8.30 Uhr morgens nach dem Frühstück an und hört um 19
Uhr nach der Hausaufgabenstunde auf.
Dazwischen gibt es allerdings reichlich Pausen: Um 12 Uhr
wird Mittag gegessen (Eintopf, Reis, Kartoffelbrei oder Nudeln, immer mit
Nachtisch, Brot und Salat), um 16 Uhr gibt es einen Snack (Kaffee und ein
belegtes Brot), um 19 Uhr wird Abend gegessen (ebenfalls Eintopf, Reis,
Kartoffelbrei oder Nudeln – einschließlich Brot, Salat und Nachtisch).
Das schildere ich hier so genau, weil das so ziemlich das
Wichtigste hier in den Bergen ist: Essen.
Ratet mal, auf wie viel Kalorien das tägliche Essen der Kinder (7-16 Jahre) ausgelegt ist? Auf 2500!!!
Ratet mal, auf wie viel Kalorien das tägliche Essen der Kinder (7-16 Jahre) ausgelegt ist? Auf 2500!!!
Und die Mitarbeiter und Lehrer begnügen sich natürlich nicht
mit dem, was die Kinder essen, sondern essen in den Pausen noch Kuchen, Brot,
gegrilltes Fleisch, Tortillas und trinken den ganzen Tag gezuckerte Getränke…
Deshalb sind hier auch alle ziemlich dick, und ich bin
ziemlich froh, dass ich hier nicht immer wohne :D
Insgesamt gefällt es mir aber total gut hier. Es ist völlig
anders, als das Leben in Santa Bárbara, Los Angeles oder in Deutschland,
sondern genauso, wie man sich das in kleinen Indianer-Bergdörfern eben
vorstellt. Alles ist viel ruhiger, und jedesmal, wenn man hochschaut, sieht man
die verschneiten Gipfel, die total nah erscheinen… Dazu kommt nur noch das
Rauschen des Flusses.
Ich für meinen Teil habe mich schon längst in die Landschaft
verliebt.
Woran ich mich aber nur schwer gewöhnen kann, ist die Kälte
– und es ist wirklich eiskalt. Alle erwarten noch die nächste Woche Schnee –
und alle fürchten sich davor. Es ist nämlich nichts außergewöhnliches, dass
dann der Strom ausfällt und der Weg unpassierbar wird – so dass man völlig
abgeschnitten von der Außenwelt ist, denn Telefon, Handynetz oder gar Internet
gibt es natürlich nicht. Viele Häuser haben schließlich noch nicht mal Strom
oder fließend Wasser!
Witzig, dass genau das meine letzten Worte waren.
Heute ist der 11. Juli (JULI! Aaaah!!!) und ich konnte
meinen Blogeintag in den Bergen nicht einmal zu Ende schreiben, denn der oben
geschilderte Fall ist prompt eingetroffen: Wir sind eingeschneit.
Der Strom ist aufgefallen, die Wasserleitungen sind
eingefroren und ich durfte die interessante Erfahrung machen, eine Woche mit
ca. 50 Kindern ohne Strom und ohne Wasser zusammenzuleben.
Ohne Strom geht’s ja noch, aber ohne Wasser… Stellt euch mal
die Klos vor… Brrr.
Ich hab mich irgendwann so schmutzig gefühlt, dass ich mir
Schnee geschmolzen habe und mich dann mit einem Socken in meinem Zimmer
gewaschen haben – bei Kerzenlicht und in eisiger Kälte, während der ganzen
Aktion konnte ich meinen Atem sehen… Nun bin ich um eine Erfahrung reicher :D:D
Nun ja, jetzt bin ich wieder in Santa Bárbara, wo es zwar
immer noch kalt ist, aber wenigstens gibt es Wasser und Strom!
Aber auch hier bleibe ich nicht mehr lange, morgen abend
werde ich nach Santiago fahren, von wo aus ich in den Norden Chiles (nach
Iquique) fliege. Dort werde ich ersteinmal die Wüstensonne genießen!
So viel dazu, ich hoffe euch geht es auch allen gut und ihr
müsst nicht erst in den Norden reisen, um Sonne zu haben! Ich denke an euch,
auch wenn ich nichts schreibe :D
In etwas mehr als zwei Monaten sehen wir uns schon wieder,
bis dahin,