Donnerstag, 9. August 2012

Ein Hauch von Frühling...

Hey ihr alle!

So, nun ist mein Urlaub auch schon wieder vorbei und seit letzter Woche bin ich wieder in Santa Bárbara und arbeite.
Meine Ferien waren wirklich schön, ich hab eine Menge toller Leute kennen gelernt, viele Sachen erlebt und die unglaublichsten Landschaften gesehen - bei ebenso unglaublichen Temperaturschwankungen!

Die ersten paar Tage war ich in Iquique, einer Küstenstadt im Norden. Von dort aus habe ich auch die ersten Ausflüge in die Wüste unternommen - der Wahnsinn! Diese unglaubliche Weite, hunderte von Kilometern ohne Zivilisation... Von Sonntag, dem 15. auf Montag den 16. Juli bin ich dann nach "La Tirana" gefahren, einem Dorf in der Wüste, das eigentlich nur aus ein paar Hütten und einer Kirche besteht und gerade mal 200 Einwohner hat - einmal im Jahr findet dort allerdings das berühmte Fest zu Ehren der Jungfrau Carmen statt, bei dem bis zu 14.000 Pilger in das Dorf ziehen um sich die Tänze, die Musik und den Gottesdienst anzuschauen - begleitet natürlich von einem riesigen Markt und den typisch chilenischen Spezialitäten.
Ein Wahnsinnsspektakel, das ich mir natürlich nicht entgehen lassen wollte, wo ich gerade zu der Zeit in der Nähe war!




Die nächste Woche habe ich dann in San Pedro de Atacama verbracht, einem ziemlichen Touristenkaff, dessen Umgebung wunderschön ist. Von dort aus hab ich dann verschiedene Ausflüge gemacht, zum Beispiel ins Valle de la Luna ("Mondtal"):





...oder zu den Tatio-Geysiren...

(zu diesem Zeitpunkt, kurz nach Sonnenaufgang, hatte es -13 Grad)




Dann habe ich eine mehrtägige Tour nach Bolivien gemacht, die wie erwartet das Highlight der zweiten Woche war, aber - wie ebenfalls erwartet - soo unglaublich kalt! Am ersten Tag dachte ich echt, das steh ich keine vier Tage durch... Wir sind eben morgens gestartet und bis die Sonne alles ein bisschen aufgewärmt hat, hatte es -18 Grad...
Gegen Mittag haben wir dann aber bei so heißen Quellen (Wassertemperatur ca.. 35 Grad) haltgemacht, was richtig geil war - aber beim Rausgehen aus dem Wasser ist mein Kreislauf dann voll zusammengebrochen, weil wir ja schon auf fast 5000 Meter Höhe waren und der Wechsel ein bisschen plötzlich... Sowieso hatte ich bei dem ganzen Ausflug ziemlich mit der Höhe zu kämpfen, aber mit viel Coca-Tee ging das auch, so lange man nicht zu schnell gelaufen ist.







Von der ganzen Tour hab ich unglaublich viele Fotos und noch viel mehr Bilder im Kopf. Hier ist eine kleine Auswahl:
Meine Jeep-Gruppe



Gloria und ich (völlig außer Atem nach dem Erklimmen des Felsens :D)



fast wie die echten Flamingos, oder? :D








Es gab keine Deutschlandflagge...



Von der nächsten Woche gibts eigentlich nicht mehr viel zu erzählen, ich habe nämlich eigentlich fast nur auf der Dachterasse meines Hostals in der Sonne gelegen, gelesen, gegessen, Mango Sour getrunken... Und jede Minute genossen :)
Besuch in der Pisco-Destillerie von Mistral

Die Dachterasse!!! (das Foto hab ich am letzten Tag gemacht, das einzige mal, dass der Himmel bewölkt war :D)


beim Besuch eines Observatoriums


Also, meine Lieben, das war's auch schon an Urlaubsberichten!


Hier im Heim gibt es leider keine schönen Neuigkeiten: Unser Chef hat nämlich in einer beispiellosen, egoistischen Aktion zusammen mit dem offiziellen Chef des Heims, dem Priester von Santa Bárbara (der das Heim während den zehn Monaten in denen ich da bin vielleicht zwei mal betreten hat und davon einmal mit den Kindern gesprochen hat…), beschlossen, das Heim zu schließen… Dadurch schickt er nicht nur alle zwanzig Mitarbeiter des Heims in die Arbeitslosigkeit (was für die meisten, die schon über 40/50 sind, das ziemlich aus bedeutet, hier in Chile ist der Arbeitsmarkt unglaublich schlecht und die Chance, in Santa Bàrbara Arbeit zu finden praktisch gleich null), sondern noch viel schlimmer, er schickt die Kinder in die Wüste. Die sind nämlich die leittragenden bei der ganzen Aktion: Jetzt, wo sie so nah an den Bergen wohnen, können sie schließlich noch jedes Wochenende nach Hause reisen… Danach, wenn sie in anderen Heimen in anderen Städten lebene, wird das nicht mehr möglich sein und das bedeutet für die meisten, dass sie bis zu ihrem 18. Geburtstag die neuen Heime nicht mehr verlassen werden können… Außerdem werden sie nicht nur von ihrer „Ersatz-Familie“ getrennt, sondern höchstwahrscheinlich werden auch die Geschwister getrennt werden müssen – so dass auch die sich bis zu ihrem 18. Geburtstag nicht wieder sehen können…
Das alles macht mich so unglaublich traurig – aber auch so unglaublich wütend! Denn wie so oft enscheidet wieder mal eine Minderheit (2, 3 Personen), die zudem keine Ahnung von den Umständen haben, über eine so große Anzahl von Personen!
Klar passiert sowas nicht nur hier, aber trotzdem ist es unglaublich frustrierend.
Vor allem, weil Tío Pablo, der Chef, sogar mit einer anderen Tía über die Gründe gesprochen hat: Er hat gemeint, das Heim sei nicht länger tragbar, weil es schon seine Familie beeinträchtigen würde (!!!) und seine Familie wäre das wichtigste für ihn. Schön für ihn, aber dann soll er doch einfach kündigen und nicht das ganze Heim schließen!!


Und die dümmste Aktion von ihm war eben, dass er noch nicht mal in der Lage war, die Schließung des Heims offiziell zu verkündigen - so hat er es weder den Kindern, noch den Eltern, noch den Municipalidad hier in Santa Bárbara mitgeteilt, die sich jetzt (verständlicherweise!) alle darüber aufregen...
Die Eltern haben jetzt sogar Proteste geplant, aber das Problem ist eben, dass die meisten von ihnen nicht sehr glaubwürdig sind, weil die meisten eben selber ziemliche Probleme haben (Alkoholiker/gewaltbereit sind oder geistige Dezifite haben)... Und die Tías des Heims können nicht protestieren, weil sie dann Angst um ihren Job haben müssen!!


Ich berichte auf jeden Fall, wie sich das alles noch entwickelt...
Jetzt kommen gleich die Kinder aus der Schule zurück und deshalb muss ich hiermit meinen Blogeintrag beenden.

Ich wünsche euch alles, alles Gute und wir sehen uns schon ganz bald!!

Liebe Grüße,

Julia

Mittwoch, 11. Juli 2012

2 Monate, 6 Tage


Hallo meine Lieben!

Nun habe ich mich endlich dazu aufgerafft, mich mal wieder um meinen armen, vernachlässigten Blog zu kümmern. Ich glaube, es war eine ziemlich blöde Idee, diesen überhaupt einzurichten, wo ich eh so selten irgendwas schreibe! Und dann habe ich genau deswegen auch noch ein schlechtes Gewissen ;)

Abgesehen von diesem schlechten Gewissen geht es mir prima – ich wünschte nur, ich würde eine Möglichkeit kennen, die Zeit aufzuhalten. Heute ist der 28. Juni – unfassbar! Es fehlen nur noch drei Tage bis zum Juli (ein Monat, der immer soo weit weg schien…)! Juli ist schon fast August und August ist schon fast September… Und September bedeutet, dass ich dieses Land, dass ich inzwischen so sehr lieben gelernt habe, verlassen muss!
Dieses Gefühl bzw. dieses Thema ist zur Zeit bei uns Freiwilligen fast ständiger Gesprächsstoff. Irgendwie können wir uns alle nicht vorstellen, wie es sein wird, wieder „daheim“ zu sein, wo wir doch diesen Begriff inzwischen total auf Santa Bárbara, bzw. Los Angeles beziehen…

Aber wir versuchen, die letzte Zeit noch mal so richtig zu genießen.
So bin ich zum Beispiel gerade für zwei Wochen in den Bergen in einem Internat, sozusagen eine Art „Praktikum“. Das wollte ich schon total lange machen, aber irgendwie hat es nie geklappt und wurde immer ver- beziehungsweise aufgeschoben… Aber jetzt bin ich hier, und es gefällt mir unglaublich gut.
Das Internat liegt in Cauñicu, einer indigenen Gemeinde in den Anden, ungefähr 3-4 Stunden (je nach Fahrweise) von Santa Bárbara entfernt.
Auf die Idee bin ich gekommen, weil ich schon mehrmals mit Padre Oscar, einem Pfarrer, den ich im Heim kennen gelernt habe, zu Besuch da war. Dieser Padre ist nämlich für die Region Alto Bio Bio zuständig, das heißt, er fährt mehrmals in der Woche in die Cordillera um dort die indigenen Familien zu besuchen, mit ihnen Probleme zu besprechen, Kinder zu taufen, Gottesdienste zu machen etc. Ich mag es total, ihn zu begleiten weil er wirklich alle hier kennt und alle ihn mögen und total offen über all ihre Probleme erzählen (was für mich natürlich superinteressant ist) – und außerdem ist er total cool drauf.

Hier im Internat gibt es ungefähr 70 Schüler, 10-15 davon sind allerdings Externe. Diese Kinder wohnen in der Nähe und laufen nach dem Nachmittagslunch nach Hause.
Kurz ein Wort zu den Relationen: ein chilenisches „nah“ ist schon nicht unbedingt das gleiche, wie ein deutsches „nah“ – ein „nah“ hier in der Cordillera ist noch einmal was komplett anderes: Die Kinder müssen oftmals mehr als eine Stunde den Berg hinaufkraxeln, um zu ihren Häusern zu gelangen.
Der Rest, die „Internen“ wohnen dann noch viel weiter weg. Jeden Freitag fährt sie ein Bus zu ihren Häusern (bzw. zu dem nahstmöglichen mit dem Auto erreichbaren Platz), der sie dann Sonntagabend wieder abholt.
Unter der Woche besuchen eben alle zusammen hier die Schule. Der Unterricht fängt um 8.30 Uhr morgens nach dem Frühstück an und hört um 19 Uhr nach der Hausaufgabenstunde auf.
Dazwischen gibt es allerdings reichlich Pausen: Um 12 Uhr wird Mittag gegessen (Eintopf, Reis, Kartoffelbrei oder Nudeln, immer mit Nachtisch, Brot und Salat), um 16 Uhr gibt es einen Snack (Kaffee und ein belegtes Brot), um 19 Uhr wird Abend gegessen (ebenfalls Eintopf, Reis, Kartoffelbrei oder Nudeln – einschließlich Brot, Salat und Nachtisch).
Das schildere ich hier so genau, weil das so ziemlich das Wichtigste hier in den Bergen ist: Essen.
Ratet mal, auf wie viel Kalorien das tägliche Essen der Kinder (7-16 Jahre) ausgelegt ist? Auf 2500!!!
Und die Mitarbeiter und Lehrer begnügen sich natürlich nicht mit dem, was die Kinder essen, sondern essen in den Pausen noch Kuchen, Brot, gegrilltes Fleisch, Tortillas und trinken den ganzen Tag gezuckerte Getränke…
Deshalb sind hier auch alle ziemlich dick, und ich bin ziemlich froh, dass ich hier nicht immer wohne :D


Insgesamt gefällt es mir aber total gut hier. Es ist völlig anders, als das Leben in Santa Bárbara, Los Angeles oder in Deutschland, sondern genauso, wie man sich das in kleinen Indianer-Bergdörfern eben vorstellt. Alles ist viel ruhiger, und jedesmal, wenn man hochschaut, sieht man die verschneiten Gipfel, die total nah erscheinen… Dazu kommt nur noch das Rauschen des Flusses.
Ich für meinen Teil habe mich schon längst in die Landschaft verliebt.
Woran ich mich aber nur schwer gewöhnen kann, ist die Kälte – und es ist wirklich eiskalt. Alle erwarten noch die nächste Woche Schnee – und alle fürchten sich davor. Es ist nämlich nichts außergewöhnliches, dass dann der Strom ausfällt und der Weg unpassierbar wird – so dass man völlig abgeschnitten von der Außenwelt ist, denn Telefon, Handynetz oder gar Internet gibt es natürlich nicht. Viele Häuser haben schließlich noch nicht mal Strom oder fließend Wasser!






Witzig, dass genau das meine letzten Worte waren.
Heute ist der 11. Juli (JULI! Aaaah!!!) und ich konnte meinen Blogeintag in den Bergen nicht einmal zu Ende schreiben, denn der oben geschilderte Fall ist prompt eingetroffen: Wir sind eingeschneit.
Der Strom ist aufgefallen, die Wasserleitungen sind eingefroren und ich durfte die interessante Erfahrung machen, eine Woche mit ca. 50 Kindern ohne Strom und ohne Wasser zusammenzuleben.
Ohne Strom geht’s ja noch, aber ohne Wasser… Stellt euch mal die Klos vor… Brrr.
Ich hab mich irgendwann so schmutzig gefühlt, dass ich mir Schnee geschmolzen habe und mich dann mit einem Socken in meinem Zimmer gewaschen haben – bei Kerzenlicht und in eisiger Kälte, während der ganzen Aktion konnte ich meinen Atem sehen… Nun bin ich um eine Erfahrung reicher :D:D

Nun ja, jetzt bin ich wieder in Santa Bárbara, wo es zwar immer noch kalt ist, aber wenigstens gibt es Wasser und Strom!
Aber auch hier bleibe ich nicht mehr lange, morgen abend werde ich nach Santiago fahren, von wo aus ich in den Norden Chiles (nach Iquique) fliege. Dort werde ich ersteinmal die Wüstensonne genießen!

So viel dazu, ich hoffe euch geht es auch allen gut und ihr müsst nicht erst in den Norden reisen, um Sonne zu haben! Ich denke an euch, auch wenn ich nichts schreibe :D

In etwas mehr als zwei Monaten sehen wir uns schon wieder,
bis dahin,

Eure Julia

Donnerstag, 26. April 2012

Ein letzter April-Eintrag

Hallo meine Lieben!

Ich sitze gerade im Büro bei uns im Heim - und langweile mich. Heute habe ich wieder die Frühschicht, das heißt, ich bin schon seit 6:30 Uhr hier. Zuerst habe ich mit den Kindern auf ihre Schulbusse gewartet - was eine Stunde Stehen in der eisigen Morgenkälte vor unsererm Heim bedeutet. Danach habe ich gemütlich gefrühstückt und danach mit meiner Gastmutter noch ungefähr eine Stunde literweise Mate getrunken, und nun beschäftige ich mich mehr oder weniger halbherzig mit Nacho, einem Dreijährigen, der heute krank ist und nicht zur Schule kann.
Die letzen Wochen sind sehr ruhig - aber trotzdem unheimlich schnell! - vorbeigegangen.
Ich bin zur Zeit etwas krank, deshalb bin ich kaum weggegangen, bis auf zwei Ausflüge: Und zwar haben wir bei unserer Arbeit hier im Heim einen katholischen Priester kennen gelernt, Padre Oscar, der in Ralco arbeitet. Ralco ist ein kleines Dorf noch weiter oben in den Bergen, so ziemlich das letzte "zivilisierte" Dorf vor der Cordillera. Danach kommen nur noch kleine Indígena-Siedlungen.
Jedenfalls haben wir, das heißt Maria und ich, letzte Woche den Padre bei einem Ausflug in ebendiese Siedlungen begleitet - ein einmaliges Erlebnis. Zwar waren wir mit den Funktionären des Heims ja schon öfter dort oben, diesmal war der Kontakt mit den Familien jedoch viel direkter, da der Padre von Haus zu Haus reist, fast alle Personen persönlich kennt und sehr angesehen ist.
So haben wir unglaublich viel von der Kultur der Pehuenche (so heißt die Gruppe der Mapuche-Indígenas, die hier in den Bergen lebt) miterlebt - und ein bisschen mehr von der Sprache Mapudungun bzw. Chedungun gelernt.
Das tolle war, dass wir mit dem Padre auch verschiedene Schulen oben in den Bergen besucht haben - und das war wirklich beeindruckend. Dort gibt es nämlich Kinder, die eingeschult werden, ohne ein Wort Spanisch zu sprechen. Sie müssen dann alles in der Schule lernen - demzufolge sprechen auch die meisten Lehrer, ob Indígena oder nicht, zumindest ein bisschen Chedungun.

Oder zum Beispiel waren wir auch in der Hütte von Norfa, einer "Machi", also einer Heilerin. Vor der Hütte hängen auf Gestellen schon unzählige getrockneten Kräuter, ebenso innen. Norfa ist die letzte in ihrer Familie, die diesen Beruf erlernen wird, obwohl er seit Generationen weitergegeben wurde. Aber die jungen Leute hätten keine Lust mehr, sich mit den alten Lehren zu beschäftigen, sagt sie. Sie seien faul geworden, verwöhnt von der modernen Medizin, die gegen alles eine Tablette hätte.
Dann hat sie uns noch von einigen "Patienten" erzählt: Zum Beispiel ein junges Ehepaar, das umbedingt Kinder, am besten einen Jungen, bekommen möchte. Doch obwohl sie schon lange verheiratet sind, hat es bisher noch nicht geklappt.
Also begann Norfa Kräuterextrakte zu mischen, und den beiden (sowohl Mann als auch Frau) zu verabreichen. Zusätzlich betete sie oft und lange für die beiden, machte verschiedene Zeremonien etc. Und nun, vor einigen Tagen, kam die Frau zu ihr und erzählte, dass die geträumt hätte, ein Mädchen zu kriegen. Norfa erklärte daraufhin, dass es ein Junge werden würde - immer wenn man träumt, einen Jungen zu kriegen, bekommt man ein Mädchen und andersherum.

Der Besuch war so der krasseste, denn das sind so Geschichten, von denen man normalerweise in irgendwelchen Romanen liest, aber die man ja nicht in Realität erlebt...

Der zweite Ausflug war auch klasse, allerdings wurde uns in jedem Haus, in dem wir waren Essen gereicht, und zwar immer neben der obligatorischen Tortilla, einer Art Brot, das in heißer Asche gebacken wird, auch noch Asado, also gegrilltes Schwein oder gegrillte Ziege - und es ist sehr unhöflich, abzulehnen, also haben wir den ganzen Tag gegessen :D



Also ich hoffe, euch geht es auch allen gut, ich freue mich immer über jegliche Nachricht aus Deutschland (!!!Schreibt mir!!! :D),

eure Julia

Dienstag, 10. April 2012

Rauch in den Straßen

Hallo ihr alle!

So, nun bin ich tatsächlich schon mehr als sechs Monate hier. Manchmal kann ich es gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht!

Vor einigen Wochen hatten wir (wir, das heisst alle 16 Freiwillige aus Argentinien, Uruguay und Chile) unser einwöchiges Zwischenseminar in Olmué, einem Dorf in der Nähe von Santiago.
Das Zwischenseminar war ganz anders als unser (geniales! ;)) Vorbereitungsseminar. Zwar war es total schön, die ganzen anderen Freiwilligen wiederzusehen, bzw. kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen und wir hatten auch wirklich viel Spaß, das Seminarprogramm an sich war aber ziemlich unergiebig (/langweilig ;)) und hat nicht viel Neues gebracht.
Die Umgebung allerdings war wirklich schön: Olmué liegt in Zentralchile, zwischen vielen Weinbergen, und wir waren in einer Art "Ferienanlage" mit verschiedenen kleinen Häuschen und mit verschiedenen Pools. Es gab zweimal am Tag ein 3-4 Gänge-Menu zu essen - und zwar richtig, richtig lecker - und zudem hatten wir auch noch total viel Glück mit dem Wetter, es schien fast jeden Tag die Sonne und war total warm... Eine doch sehr angenehme Abwechslung nach drei Wochen patagonischer Kälte!

Nun ist das Seminar aber auch schon wieder vorbei, und der Arbeitsalltag hat sich eingestellt.
Die Arbeit macht mir wieder deutlich mehr Spaß, als im Sommer, die ganzen Kinder sind endlich wieder da - und ich liebe sie so!

Hier hat außerdem nach einem letzten Aufblühen des Sommers nun vollens der Herbst eingesetzt. Der Wechsel hat mich doch einigermaßen geschockt, denn die erste Zeit nach dem Seminar war es noch einmal richtig schön warm, so dass ich meine Sommerkleider noch fast zwei Wochen benutzen konnte - untypisch für diese Jahreszeit, wie mir alle über die Hitze jammernden Chilenen versicherten!
Jetzt ist es tagsüber hingegen schon richtig herbstlich: Überall liegen Kastanien, die Blätter fallen langsam, - aber immerhin scheint auch die Herbstsonne und bisher windet und regnet es noch nicht. Aber nachts und morgens ist es nun richtig kalt, ich stocke die Deckenansammlung in meinem Bett wöchentlich auf und es fällt mir immer schwerer, morgens aufzustehen... Der gemütlichste Ort bei uns im Haus ist demnach die Sitzecke um den Ofen herum, und hier im Heim als einziger beheizter Raum die Küche.
An beiden Orten sitze ich also entweder frühmorgens oder spätabends mit Yorfa, meiner Gastmutter zusammen, wir trinken Tee oder (viel besser) Mate, reden über Gott und die Welt, lästern, lachen... Ich liebe sie einfach! Sie ist wirklich meine Mama hier, sehr resolut und bestimmt ("Bevor du weggehst, räumst du aber schon noch dein Zimmer auf, oder?"), aber immer auch total besorgt und liebevoll - und unglaublich lustig :D

Jetzt, am Wochenende, war ja Ostern. Abgesehen davon, dass Montag hier schon wieder Arbeitstag ist, war auch ansonsten alles sehr anders... Schonmal angefangen damit, dass wir vier Tage ununterbrochen (d.h. zu jeder Mahlzeit, einschließlich des Frühstücks!) Fisch oder (bzw. UND) Meeresfrüchte gegessen haben. Außerdem war ich auch viel feiern, weil alle Studenten natürlich über die Feiertage nach Hause gekommen sind.

Zusätzlich haben wir am Sonntag noch einen Ausflug mit der Familie gemacht, natürlich mit Picknick.


Ansonsten fällt mir gerade nicht arg viel mehr zum erzählen ein...
Ich denke viel an euch alle, und vor allem wenn ich frühmorgens (d.h. um halb 6!) in feuchter Kälte durch die nebligen Straßen zum Heim laufe und den Rauchgeruch der Kamine einatme, wünsche ich mir oft, nun den deutschen Frühling mitzuerleben...
Was nicht heißen soll, dass ich hier nicht superglücklich und zufrieden wäre - nur auf den Winter könnte ich verzichten ;)

Ganz, ganz liebe Grüße an alle,
vielleicht bis bald,

Eure Julia

Donnerstag, 8. März 2012

Lebenszeichen


Hola!

So, nun lass ich auch mal wieder etwas von mir hören. Langlang ist’s her, dass ich hier was geschrieben hab, aber das ist alles nicht ganz unbegründet.

Die letzten drei Monaten waren ein ständiges auf und ab. Der letzte Blogeintrag ist, wie ich gerade sehe, vom 3. Januar (ups!), also noch ganz am Anfang der großen Sommerpause, die jetzt letzte Woche geendet hat.

Wie ich da ja schon geschrieben habe, sind die meisten unserer Heimkinder Ende Dezember über die Sommerferien zu ihren Familien nach Hause gefahren. So blieb hier im Heim nur eine kleine Gruppe mit wechselnder Besetzung, meist hatten wir so fünf bis fünfzehn Kinder.

Mit diesen sind wir dann direkt Anfang Januar in eine Art Ferienlager in die Berge gefahren. Als ich Ende November zum ersten Mal von diesem Ferienlager gehört hatte, war es mir wie eine super Idee vorgekommen: Zwei Wochen Ferien mit den Kindern, tolle Landschaft, Sonne, Baden im Fluss… Hahaha. Diese Vorstellungen wurden mir schon im Voraus von den Erzählungen der meisten Tías genommen, die alle überhaupt keine Lust auf dieses Ferienlager hatten und unglaublich viel Negatives erzählt haben.
Auch schon in den ersten Wochen hier im Heim ist mir aufgegangen, dass das alles schwieriger werden könnte als gedacht: Die Kinder, die hier geblieben sind, sind nämlich wirklich die allerproblematischsten.
Da haben wir zum Beispiel die siebenjährige Claudina, ein Mädchen, dass wohl schon mit einem Alkoholsyndrom auf die Welt gekommen ist (nicht diagnostiziert, aber man sieht es ihr an), und zudem ihr ganzes Leben sexuell missbraucht worden ist.
Oder Bastian, ein dreizehnjähriger Junge, der wohl ähnliche Erfahrungen gemacht hat, jedenfalls jetzt eine absolut gestörte Sexualität hat, sehr viele seltsame Aktionen bringt (die ich hier jetzt lieber nicht genau ausführen will) und der immer wieder versucht, den kleineren Jungen nachzustellen… Wäre er erwachsen, würde man auf jeden Fall sagen, dass er pädophil ist, bei einem dreizehnjährigen Jungen finde ich dieses Wort aber etwas schwierig…
Und, wer noch? Perfekt in der Kombination mit Bastian eine Zweijährige (auch mit Alkoholsystem), ein Dreijähriger (Nacho, eins meiner Lieblingskinder), und Giovanni, ein Vierjähriger…

An dieser Stelle könnte ich jetzt noch mehr Geschichten von den restlichen zehn Kindern erzählen, von dem siebenjährigen Ruben, der mir erzählt, wie er immer mit seinen Eltern zusammen Wein trinkt; von der vierzehnjährigen Angela, die schon ihr ganzes Leben von Heim zu Heim gereicht wird und sich bereits mit zwölf Jahren für einen Sechzigjährigen prostituiert hat um Geld zu verdienen (wohlbemerkt hier in Santa Bárbara, zu einer Zeit wo sie schon in Heim gewohnt hat…)…
Aber all diese schrecklichen Geschichten gehören schon zum Alltag – ich fühle mich manchmal ganz abgestumpft, das meiste erstaunt einen schon gar nicht mehr…

Das, was ich persönlich jedoch ganz, ganz schrecklich finde, sind die Fälle, die sich direkt hier im Hogar abspielen, worüber aber einfach nicht gesprochen wird. Zum Beispiel gab es vor ungefähr einem Jahr einen Zwischenfall, wo einer der Jungs einen anderen „sexuell missbraucht hat“ – in welchem Umfang weiß ich nicht.
Das Problem hier ist einfach, dass dieses Thema komplett totgeschwiegen wird. Nach diesem Zwischenfall hat unser Chef eine Zusammenkunft mit allen Mitarbeitern einberufen und gesagt, wer über dieses Thema jemals außerhalb des Hogars sprechen wird, kann gleich gehen…

Insgesamt, unser Chef. Das ist ein ganz eigenes Thema für sich, dass sich in den letzten zwei Monaten immer weiter zugespitzt hat.
Zum Beispiel hatten Maria und ich eigentlich mal die Idee, hier eine Aufklärung zum Thema Sexualität zu starten (was ist Sexualität überhaupt, wie verhüte ich, wie verhalte ich mich bei sexuellen Übergriffen, gerade bei Lehrern, Tíos oder ähnlichem…)
Bei der Mitarbeiter-Reunion hat unser Chef diese Idee zuerst als sehr gut befunden (ich meine, wir haben hier eine siebzehnjährige, die gerade Anfang März ihr Kind entbunden hat und einen anderen Siebzehnjährigen, der bald Vater wird!), nur um uns dann aber ein paar Wochen später wörtlich zu sagen „Nein, so ein Kurs wird hier niemals stattfinden, die katholische Kirche verbietet Verhütung, wir sind ein Heim mit den katholischen Werten und so werden wir über dieses Thema nicht sprechen.“
Ich mein, was kann man da noch zu sagen? Verhütung ist eine Sache, aber dieses ganze sexuelle-Missbrauch-Thema ist ja noch mal was ganz anderes, schließlich sind die Kinder hier im Heim um beschützt zu werden!


Aber naja, nun bin ich ein bisschen abgeschweift. Anfang Januar waren wir eben auf diesem Campamento – und es waren die bisher schlimmsten zwei Wochen im Heim.

Die Kinder haben sich einfach so schlimm benommen, dass man sie keinen Moment aus den Augen lassen konnte – das heißt, wir waren 24-Stunden am Tag in Bereitschaft!
Und trotzdem haben es diese Kinder geschafft, nur Scheiße zu bauen: Direkt am ersten Tag ist ein Mädchen ins Haus einer Nachbarin eingebrochen und hat 40.000 Pesos geklaut, also ungefähr 60 Euro – was hier wirklich unglaublich viel ist. 10 000 haben wir dann bei ihr gefunden, der Rest ist nie wieder aufgetaucht…
Ein paar Tage später haben dann ein paar Kinder die Scheiben von einem anderen, leerstehenden Haus eingeschmissen, sind da eingebrochen und haben das ganze Haus durchwühlt – wir wissen noch nicht, ob sie was geklaut haben.

Und am Ende der ersten Woche ist dann das krasseste passiert: Draußen hats halt übelst geregnet und wir waren alle drinnen basteln. Irgendwann ist uns dann aufgefallen, dass zwei Kinder, ein 7-jähriges Mädchen und ein 9-jähriger Junge von ihrem aufs-Klo-gehen nicht mehr wiedergekommen sind. Eine Tía ist sie dann suchen gegangen und hat sie auch sehr schnell gefunden – sie waren kurz davor, Sex zu haben…

Die Tía war dann auch dementsprechend geschockt, hat dem Jungen eine geknallt und hat ihn ins Bett geschickt…
So weit so gut.
Dieser Junge (9 Jahre alt!) ist dann aber in der Nacht abgehauen – mit Rucksack und seinen ganzen Sachen.
Wir mussten ihn dann also suchen gehen – im strömenden Regen und ohne Auto. Und natürlich hatte man in den Bergen auch keinen Handyempfang… Zum Glück haben wir ihn dann aber gefunden und joa.


Naja, das waren nur einige Auschnitte, aber mehr schreib ich jetzt da nicht mehr zu, weildas jetzt auch alles schon wirkliche lange her ist… Das war echt mein absoluter Tiefpunkt, ich hab die gesamte zweite Woche eigentlich jeden Abend nur noch geheult ;)
Danach hatten wir dann endlich eine Woche frei – was wirklich bitter nötig war um von allem ein bisschen Abstand zu gewinnen.

Aber natürlich war es auch nicht so einfach, diese Woche frei zu bekommen…
Es war nämlich so, dass alle chilenischen Mitarbeiter für die 14 Tage Ferienlager auch 14 Tage Ferien zusätzlich bekommen haben. Nun ja. Alle chilenischen Tías. Bei den zwei Freiwilligen ist das natürlich anders: Die sind ja freiwillig da, das heißt, die sind auch willens mehr Arbeit zu leisten – so weit die Argumentation von unserem Chef.
Das ganze ist mit einer Konversation unserer Koordinatorin vor Ort weitergegangen, was aber alles noch viel schlimmer gemacht hat…
Naja, es würde jetzt zu weit führen alles im Detail zu erzählen, jedenfalls haben wir jetzt unsere zwei Wochen zusätzliche Ferien.

Der Rest des Sommers war im Heim einigermaßen ruhig, schwierig und anstrengend. Außerhalb des Heims… Sommer eben :D Feiern, Sonne, Strand… Gut. Allerdings konnte ich den Sommer oft nicht so genießen wie ich es gerne getan hätte, weil ich jeden Tag gearbeitet hab.

Denn es ist nun mal einfach wirklich so, das das Heim hier zu wenig Arbeitskräfte hat, und deshalb immer mehr die Freiwilligen die Rollen der Tías übernehmen – beziehungsweise mehr arbeiten.


Jetzt war ich die letzten drei Wochen in Urlaub, im Süden bis runter nach Patagonien – der hammer, da folgt dann noch mal ein extra Bericht :)

Aber das Zurückkommen war irgendwie ganz schrecklich… Nicht nur, dass die Ferien zu Ende waren, sondern auch im Heim hat sich einiges getan: Neben verschiedenen Strukturveränderungen, die hier nicht so wichtig sind, haben sich zum Beispiel auch meine Arbeitszeiten verändert: Ich arbeite jetzt entweder von 7-14 Uhr oder von 14-21 Uhr. Dazu zusätzlich jedes zweite Wochenende.
Prinzipiell ist das ja viel besser, als von 12-20 Uhr zu arbeiten – aber das Blöde ist einfach, dass es vormittags hier im Heim kaum etwas zu tun gibt! Die Kinder gehen um acht zur Schule, wo ich sie hinbringe, und dann komm ich zurück ins Heim und verbring den Vormittag mit Lesen, Reden, Tee trinken… Vormittags sind hier ja meist keine Kinder da! Hin und wieder gibt es dann so kleinere Aufgaben, wie ins Krankenhaus zu gehen, aber eigentlich gilt es eher, die Zeit bis zum Mittagessen totzuschlagen und danach nach Hause zu gehen ;)

Aber immerhin hab ich so endlich mal Zeit, Blogeinträge zu schreiben! :D
Die Schichten wechseln immer wöchentlich, d.h. diese Woche arbeite ich immer vormittags. Die nächste Woche geht’s dann erst mal aufs Zwischenseminar nach Olmué, ich bin schon gespannt, wie das wird, habe allerdings ehrlich gesagt nicht allzuviele Erwartungen… Mal schauen.

Danach melde ich mich dann wieder (die über-über-nächste Woche, wenn ich wieder vormittags arbeite :D) mit einem Reisebericht der letzten Wochen.


Ganz viele Grüße und bis bald!

Eure Julia




Dienstag, 3. Januar 2012

¡Feliz año nuevo! - Frohes neues Jahr!

Hallo meine Lieben!
Ich wuensche euch allen da draussen alles, alles Gute im neuen Jahr!
Ich hoffe ihr habt Silvester alle genauso schoen verbracht wie ich - wenn auch wahrscheinlich um einiges kaelter :D

Bei mir war alles einfach perfekt, also um einiges besser als die Feiertage um Weihnachten herum!
Zwar wurde auch fuer Silvester wieder ein Tier geschlachtet, allerdings musste ich dieses Mal wenigstens nicht dabei zusehen. Und auch zum Essen gab es jetzt nicht nur Fleisch mit Krautsalat, sondern eine reiche Auswahl an unglaublich vielen und unglaublich leckeren Beilagen.
So haben wir uns also fuer das Essen viel Zeit gelassen - um genau zu sein so viel, dass wir fast Mitternacht verpasst haetten. Aber nach einigen hektischen Minuten standen dann doch alle mit geoeffneten Sektflaschen draussen auf der Strasse und haben auf das neue Jahr runtergezaehlt. Und puenktlich zu Mitternacht fing dann am Himmel ueber Santa Bárbara das Feuerwerk an - uebrigens das erste in der Dorfgeschichte! Und fuer meine Gastmutter zum Beispiel war es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie ein Feuerwerk live gesehen hat... So war es irgendwie etwas viel besondereres als in Deutschland, wo ja so viel geballert wird, dass man gar nicht weiss, wo man zuerst hinschauen soll...

Nach dem (wirklich langen!) Feuerwerk haben wir uns noch gemuetlich zusammengesetzt, viel geredet, viel gelacht und vor allem viel getrunken ;)
Ich bin danach dann noch auf eine Silvesterparty unter freiem Himmel auf halbem Weg nach Los Angeles gegangen um mich dort mit Saskia und allen moeglichen chilenischen Freunden zu treffen - und es war der absolute Hammer!!
Das einzig bittere war, dass ich am naechsten Morgen um 8 Uhr arbeiten musste... Also bin ich eben direkt vom Feiern ins Heim gefahren ;)
Nachmittags waren wir dann wieder mit der ganzen Familie in den Bergen am Fluss, war wirklich nett, aber ich hab eigentlich die meiste Zeit geschlafen :D


Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten, jetzt fahren wir erstmal fuer die naechsten zwei Wochen mit ein paar Betreuern und den ganzen Kindern (zur Zeit sage und schreibe 12) in die Berge. Meine Motivation haelt sich allerdings in Grenzen, da das die allerschwierigsten Kinder sind, deren Familiensituation so problematisch ist, dass sie nicht wie alle anderen Kinder nach Hause fahren konnten...
Und auch die Anlage, normalerweise eine Schule, ist total heruntergekommen... Aber es gibt einen Fluss, wo wir die ganze Zeit baden werden und die Kinder freuen sich alle schon total auf die naechsten beiden Wochen, deshalb mal schauen wie es wird :)


Euch auf jeden Fall alles Gute,
bis in zwei Wochen,

Eure Julia

Montag, 26. Dezember 2011

Lebenszeichen


Hallo meine Lieben!

So, nun melde ich mich auch endlich wieder einmal. Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, dass ich so lange nichts mehr geschrieben hab – ich kann es selbst gar nicht fassen, dass jetzt Weihnachten schon wieder vorbei ist und Silvester schon fast vor der Tür steht!

Meine Eltern haben mir erzählt, dass schon alle nach mir fragen und sich Sorgen machen – müsst ihr nicht! Es ist einfach so, dass ich hier in letzter Zeit so viel erlebt und gemacht habe, dass ich kaum an Deutschland gedacht habe und schon gar nicht die Zeit gefunden habe, einen Blogeintrag zu schreiben.
Aber jetzt an Weihnachten musste ich natürlich sehr an daheim denken und habe meine Familie natürlich schon sehr vermisst – gerade weil Weihnachten dieses Jahr so komplett anders war.

Sowieso hatte ich hier den gesamten letzten Monat nicht das kleinste bisschen Weihnachtsgefühl – was einerseits daran lag, dass ich immer so viel unterwegs war, dass ich eigentlich nie Zeit dazu hatte, nachzudenken, aber andererseits auch einfach an den Temperaturen hier lag: Wie kann denn Weihnachten sein, wenn es draußen 38°C warm ist? Da hat es auch nicht geholfen, dass hier alle Geschäfte und Häuser weihnachtlich dekoriert sind (Schnee, Schlitten und Weihnachtsmützen eingeschlossen!).  Und dann die Weihnachtsmusik: „Let it snow“ und „Last Christmas“ im Sommer fühlen sich doch sehr unreal an…

Auch der 24. hat sich einfach total seltsam angefühlt. Hier im Haus haben alle schon vormittags angefangen, das Essen für abends vorzubereiten. Und während bei meiner Familie in Deutschland die Bescherung angefangen hat – haben wir hier im Hof ein Schaf geschlachtet.
Das war dann tatsächlich der Gipfel des unrealen Gefühls: Schon am Morgen bin ich nämlich von dem unglaublich nervigen Gemähe eines Schafs aufgewacht, das bei uns im Hof angebunden war. Und dann, nach dem Mittagessen, wurde dieses Schaf eben geschlachtet: Zuerst wurden im drei Beine zusammengebunden, dann wurde es an einem Hinterhuf mit einem Seil nach oben gezogen. Mein Gastvater, Rafael, hat dann unser Küchenmesser geschärft und es dem Schaf dann schließlich in den Hals „gerammt“.
Als dann das Blut rausgelaufen ist, kam meine Gastmutter mit einer Schale, wo schon Zwiebeln und Koriander vorbereitet waren.
Diese Schale wird dann unter den Hals des Schafs gehalten bis sie mit Blut voll ist. Nach ein bisschen Warten ist das Blut geronnen und zu einem dunkelroten Glibberbrei geworden – fertig ist das „Ñache“, eine chilenische „Spezialität“, das zusammen mit Zitronensaft, Brot und Rotwein verspeist wird… 
Ich hab das ganze auch probiert, und ehrlich gesagt war es weniger schlimm, als ich es mir vorgestellt hatte. Es hat eigentlich gar nicht nach Blut geschmeckt, sondern ziemlich stark nach Schaf – das ekelhafte ist aber einfach die Beschaffenheit, die sehr an Wackelpudding erinnert…
Außerdem war das schreckliche, dass das Schaf während der ganzen Prozedur noch gelebt hat!!! Rafael hatte nämlich die Halsschlagader nicht richtig getroffen, sodass das Schaf sehr langsam verendet ist…
Anschließend wurde es dann schließlich gehäutet und ausgenommen. Das war dann ehrlich gesagt ziemlich interessant, die ganzen Innereien und Organe mal zu sehen…

Danach waren wir dann arbeiten, was ein ziemlicher Witz war, weil im Heim nur vier Kinder waren, der Rest war nämlich bei seinen Familien daheim.

Abends, als wir nach Hause kamen, haben wir dann schließlich das Schaf gegrillt und gegessen. Das war im Prinzip total lecker, aber insgesamt fehlt mir bei dem chilenischen Essen einfach die Raffinesse: Es gab neben dem purem Fleisch (das übrigens mit dem Händen gegessen wird) – wie bei jedem Mittag- und Abendessen – nur Tomaten- und Rotkrautsalat und natürlich Brot. Die Salate sind alle nur mit Salz und Zitronensaft zubereitet, und das Brot ist auch immer das gleiche…

Um Mitternacht fand schließlich die Bescherung statt, was aber auch ganz anders als in Deutschland war, weil kaum etwas verschenkt wurde, nur die Kinder von unserer „Schwester“, (7 und 10 Monate alt), haben reichlich Spielzeug bekommen.
Dann saßen wir noch bis in die Morgenstunden zusammen, haben geredet, getrunken und viel gelacht :)


Am nächsten Morgen sind wir dann schon um 8 (geplant war eigentlich 7 Uhr) in die Berge gefahren, zu einem wunderschönen Fluss, wo ganz viele Familien den 25. verbringen. Dort haben wir dann ersteinmal gefrühstückt, und ich für meinen Teil hab mich dann danach in die Sonne gelegt und ersteinmal bis zum Mittagessen geschlafen.

Deshalb habe ich auch nur am Rande mitgekriegt, wie das nächste Tier geschlachtet wurde: Eine Ziege, die die Familie mit dem Schaf zusammen gekauft hatte. Dieses arme Tier tat mir noch viel mehr leid als das Schaf vom Vortag, um es zu transportieren wurde es nämlich gefesselt und mit dem ganzen restlichen Essen und Trinken im Kofferraum verstaut…
Ich hab es nicht gehört, aber Maria hat mir erzählt, dass die Ziege ganz schrecklich geschriehen hat, ich meine, sie war da immerhin fast zwei Stunden drin, und das bei Hitze und Schotterpisten…
Sowieso ist das Verhältnis der Chilenen zu Tieren doch sehr, sehr anders als bei uns, und das schockt mich schon immermal wieder.

Sowieso hab ich mich an diesem Tag irgendwie total komisch gefühlt. Das einzige, was wir eigentlich den ganzen Tag gemacht haben, war nämlich gegessen (und getrunken). Zuerst natürlich gefrühstückt, wie immer Brot, Tomate und Avocado.
Dann, während ich geschlafen habe, wurde wieder „Ñache“ gegessen, diesmal eben von der Ziege… Wie gesagt, bei dem ganzen Schlachtungsprozess hab ich mich ziemlich ausgeklingt, denn irgendwie war alles noch viel seltsamer als bei uns auf dem Hof – ich meine, wir waren da mitten an einem öffentlichen Platz, um uns herum lauter andere Familien, von denen jeder seine eigene Ziege oder sein eigenes Schaf hatte – die der anderen waren aber wenigstens von Anfang an tot…

Dann, zum Mittagessen gab es erstmal die Reste vom Schaf vom Vortag – natürlich auch nur wieder mit Tomaten- und Krautsalat und Brot.
Den Nachmittag über haben eigentlich alle nur auf der Wiese gelegen und geschlafen, und dann gab es auch schon wieder Abendessen – Überraschung: Gegrilltes. Diesmal die Ziege, und nur mit Tomatensalat…
Danach sind wir dann auch schon wieder heimgefahren.
Einerseits war der Tag wirklich schön, es war tolles Wetter, wir haben im Fluss gebadet… Aber andererseits hab ich mich auch selten so anders gefühlt, als die Chilenen. Vor allem fand ich es total schade, dass an dem Tag alle irgendwie separiert waren, immer haben ein paar Leute geschlafen, ein paar waren am Fluss, ein paar haben gegessen… Irgendwie hat das Zusammengehörigkeitsgefühl gefehlt, das ich bei uns daheim bei der Familie so mag.
Maria ist es ziemlich genauso gegangen, wir haben uns danach noch total lange unterhalten, und ich bin doch sehr froh, dass ich jemandem hab, mit dem ich mich da so austauschen kann… Denn ich glaube, bei uns in Santa Bárbara ist es doch nochmal ganz anders, als beispielsweise in Los Angeles. Wir leben nämlich hier schon sehr auf dem Land, wo eben die Leute viel, viel ärmer sind als in den Städten… Und eben irgendwo noch viel „naturverbundener“ ;)

Gestern abend, als wir nach Hause gekommen sind, hatte ich dann auch dementsprechend schon ein bisschen Heimweh, weil dieser Tag so komplett anders war als bei uns zuhause…


Das hört sich jetzt so aufgeschrieben alles irgendwie sehr negativ an. Das nervt mich ein bisschen, weil ich hier eigentlich im Allgemeinen total glücklich bin und mich wirklich wohlfühle – nur manchmal wird einem eben bewusst, dass hier doch einiges anders ist als zuhause. Und während wir die ersten drei Monate eigentlich immer nur so in den Tag gelebt haben und uns ein wenig treiben gelassen haben, fängt man jetzt immer mehr an, über alles nachzudenken, und irgendwie zu vergleichen – das ist es wohl, was bei dem Vorbereitungsseminar immer „Kulturschock“ gehießen hat.


Jetzt muss ich blöderweise los, arbeiten gehen, und beende den Blogeintrag also hiermit.
Ich hoffe, das ich das ganze Thema demnächst mal weiter ausführen kann… Und ich werde versuchen, wieder ein bisschen regelmäßiger zu schreiben ;)



Ich hoffe, euch geht es allen gut, und macht euch keine Sorgen, auch wenn dieser Eintrag ein bisschen negativ geworden ist, bin ich im allgemeinen hier sehr, sehr glücklich – nur jetzt um Weihnachten herum eben ein bisschen nachdenklich und ein bisschen wehmütig :)

Alles, alles Liebe aus dem sonnigen Chile ins regnerische Deutschland,

Eure Julia


Das Schaf


Zubereitung des Ñache 


 Ñache 







Mittwoch, 9. November 2011

verschiedenes :)

Hallo meine Lieben!
Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als tausend Worte, deshalb poste ich heute einfach mal wild durcheinander Bilder aus den letzten Wochen und verzichte auf einen ausführlicheren Bericht :)

in Chillan (schon einige Wochen her :))

eine altertümliche Mapuche-Vase - ist die nicht süß? :D

Die im Reiseführer als "90 Meter hohes Kunstwerk" beschriebene Mauer :D 

Cappuchino in Chillan

übrigens im Café "Fuente Aleman", gegründet von einer Deutschen :D

Assado an Yorfas Geburstag

(so viel Fleisch! :D)

unsere Geburstags-Donauwelle :)

Saskia und ich genießen die ersten Sonnenstrahlen :D


Ausflug an eine Lagune in der Nähe von Santa Bárbara

Ist die Brücke nicht vertrauenserweckend? :D


so schön friedlich :)









Frühling in Santa Bárbara

eine Araukarie

der Bus in die Berge


(ich würd mein Gepäck da ja nicht drauf tun :D)

Alicia (am Geburstag vom Heim)



ja, ich war ein bisschen müde :D




Yogawochenende in den Bergen :D

Digueñe (ein Pilz den es nur hier und nur an diesem Baum gibt, eine Mapuche-Spezialität - als Salat unglaublich lecker!)








Achso, übrigens hab ich jetzt mein Rückflugdatum: Ich komme am 18.September 2012 um 11:35 Uhr in Frankfurt an... Das fühlt sich aber zur Zeit noch ein wenig unreal an ;)